Lehr- und Lernunterlagen
Lehr- und Lernunterlagen
Barrierefreiheit kann erhöht werden, wenn LV-Unterlagen entsprechend gestaltet werden - oder überhaupt erst durch ihre Zurverfügungstellung. Bestimmte Nutzungsweisen von e-Learning oder Streaming können die Barrierefreiheit ebenso erhöhen.
Unterlagen zur Verfügung stellen
Grundsätzlich erhöht sich die Barrierefreiheit in der Lehre schon durch die reine Zurverfügungstellung von Unterlagen:
- mit der vollständigen schriftlichen Dokumentation Ihrer Lehre
- durch Zurverfügungstellen vorab
- durch Zurverfügungstellen digital und online
- durch Ermöglichung oder Anfertigung von Audio-/Videoaufnahmen Ihrer Vorträge, damit sie Studierenden als (zusätzliches) Lermaterial oder alternativer Wahrnehmungskanal dienen können
Barrierefreie Dokumente erstellen
Dokumente an sich benötigen ebenfalls Barrierefreiheit (hauptsächlich in Bezug auf Menschen mit Sehbeeinträchtigungen). Dies kann durch ihre interne Gestaltung beeinflusst werden. Z.B. in
Wer und warum? Effekte für Studierende mit Beeinträchtigung
- Vollständige und mühelose Wahrnehmbarkeit
Blinde Studierende oder solche mit einer Sehbehinderung, können die Dokumente mit Screenreader oder Brailleschrift wahrnehmen, wenn sie barrierefrei formatiert sind. Wer eine Vergrößerung oder Kontrast benötigt, kann - im Vergleich zur Projektion im Hörsaal - die adäquaten Einstellungen am eigenen Gerät vornehmen und den Leseabstand frei wählen. - Paralleles Mitarbeiten
Dienjenigen Studierenden mit Sehbeeinträchtigung, die digital mitschreiben und Anmerkungen direkt in den Lehrunterlagen machen möchten, benötigen dafür eine digitale Version. - Möglichkeit des Selbststudiums bzw. der Kompensation bei Nicht-Anwesenheit
z.B. Studierende mit schubhaft verlaufenden Erkrankungen, tageszeitlichen Symptomverschlechterungen, Mobilitätseinschränkung (wenn der Raum nicht barrierefrei zugänglich ist), psychischen Beeinträchtigungen, Akutem (wie Unfall), Infektionskrankheiten etc. - Ersatz einer Mitschrift
Studierende, die selbst keine (vollständige) Mitschrift verfassen können:
z.B. wegen grafomotorischer Einschränkungen, Gehörlosigkeit/Schwerhörigkeit (wer [zusätzlich] Lippen liest oder auf Gebärdensprach-Dolmetscher*innen schaut, kann nicht gleichzeitig auf Schreibunterlagen schauen), Teilleistungsschwäche, Sehbeeinträchtigung (nicht wahrnehmbares Tafelbild ist nicht abschreibbar), Akute/chronische Erkrankung (Schmerzen beim Schreiben, Sehnenscheidenentzüngung, notwendige Pausen), Aufmerksamkeits- und Konzentrationsstörungen - Möglichkeit des mehrmaligen Anhörens/-schauens
z.B. Studierende mit Lese-Rechtschreibschwäche oder solche, die durch Konzentrationsstörungen, mit Hörbeeinträchtigung oder Sehbeeinträchtigung beim ersten Durchgang nicht alles mitbekommen können - Möglichkeit von eigenständiger Lautstärke-Regelung, weniger Nebengeräusche (Video/Audio)
z.B. Studierende mit Hörbeeinträchtigung oder Konzentrationsstörungen - Möglichkeit der Transkription des Inhaltes (Video)
z.B. lippenlesende Studierende: Mitschreiben und Lippenlesen gleichzeitig funktioniert nicht. Im zweiten Durchgang (Video) kann dann die Mitschrift angefertigt werden. Mehrfachwiedergabe macht auch Kontrolle möglich, ob beim ersten Mal richtig verstanden wurde. - Anfertigen von Gebärdensprach-Videos, wenn die LV gedolmetscht wird
Ermöglicht gehörlosen Studierenden, den LV-Inhalt in der Erstsprache zu wiederholen. Verständnislücken, die während der LV durch Blickwechsel zwischen Dolmetscher*in, Vortragende*m, Tafel und Projektionsfläche entstehen, können kompensiert werden. - Gut vorbereitete Gebärdensprach-Dolmetscher*innen
Gebärdensprach-Dolmetscher*innen müssen sich mit der wissenschaftlichen Fachsprache und den entsprechenden Fachgebärden vertraut machen. Haben sie zuvor Einblick in die Inhalte, ist eine höhere Qualität der Dolmetsch-Dienstleistung für gehörlose Studierende möglich.
Wie umsetzen?
- Stellen Sie Unterlagen (z.B. Vortragstext, Folien, Skripten etc.) zur Verfügung
- Ermöglichen Sie Audio- bzw. Videoaufnahmen
- Überlegen Sie, ob ggf. eine Zurverfügungstellung für die gesamte LV didaktische Vorteile hat
- Erstellen oder adaptieren Sie Dokumente (wie Word, Power Point, PDF) nach den Grundsätzen von IT-Barrierefreiheit
- Bieten Sie an, bei mitgebrachten Ausdrucken spezifische Formate zu berücksichtigen (eine Folie pro Blatt, einseitiger Druck, spezielle Schriftart/-größe, (un)geheftet, etc.)
- Gehen Sie auf Wünsche des Dateiformats ein (z.B. lieber Word statt PDF, um besser Anmerkungen machen zu können)
- Überprüfen und überarbeiten Sie Ihre eigenen Unterlagen daraufhin, ob sie ohne mündliche Erklärungen verständlich und "lernbar" sind. Dies kann auch durch auch zusätzliche Kommentare (Text, Audio, Video) erreicht werden.
- Klären Sie, über welchen Kommunikationskanal die Gebärdensprachdolmetscher*innen am besten im Vorhinein zu den Unterlagen kommen können (z.B. über d. Studierende*n, direkt per E-Mail, über GESTU oder freigeschaltet in Ihrem Moodle-Kurs)
Alternativen
- Öffnen Sie auf Moodle ein Forum, Wiki oder öffentlichen Hochladeordner und geben Sie Ihren Studierenden die Möglichkeit, Mitschriften auszutauschen.
- Dies kann Ihnen auch dazu dienen, Ihre Lehre weiter zu verbessern, indem Sie sich ein Bild von der Rezeption der LV-Inhalte machen können.
- Machen Sie Studierende im Bedarfsfall auf die Mitschriftenbörse des Team Barrierefrei aufmerksam.
- Nutzen Sie aktiv das Service u:stream
- Recherchieren Sie im Web, ob es für dieselben wie Ihre Inhalte schon barrierefreie und offen nutzbare Materialien gibt
Einige Grundsätze barrierefreier digitaler Dokumente:
- Als solche definierte und hierarchisch geordnete (Zwischen-)Überschriften
ermöglichen ein Navigieren durch "Springen von Überschrift zu Überschrift" für Screenreader-User - Als solche definierte andere Strukturelemente wie Titel, Aufzählungen, Auflistungen, Fußnoten, Tabellen, etc.
Ermöglicht dem Screenreader, Überblicksangaben zu generieren ("Es folgt eine Liste mit 8 Punkten, die wiederum auf drei Ebenen 26 Unterpunkte haben."; "Es folgt eine Tabelle mit 3 Spalten und 13 Zeilen.") - Als solche definierte Überschriften für Tabellenspalten
Ermöglicht dem Screenreader, Informationen zum Tabelleninhalt sowie zur derzeitigen Cursor-Position zu geben (Ähnlich wie beim Schachspiel über Telefon, bei dem sich beide Seiten durch die Buchstaben der Spalten und Nummern der Zeilen den Inhalt der Spielfelder mitteilen können: "Sie sind in: Spalte 'Preis', Zeile 31. Inhalt '471 Euro'.") - Als solche definierte andere Inhaltselemente wie Formularfelder, Ankreuzkästchen, horizontale Trennlinien etc.
Ermöglicht dem Screenreader, "Ankreuzfeld" zu sagen statt [_] ("Eckige Klammer auf, Unterstrich, eckige Klammer zu.") oder "horizontale Trennlinie" statt ____________ ("Unterstrich Unterstrich Unterstrich Unterstrich Unterstrich...") - Keine Bilder, die Textinformationen tragen (z.B. Scans von Texten, die [auch innerhalb eines PDFs] nur als Bilder gespeichert werden. Erkennbar daran, dass der Text sich nicht markieren lässt.)
Stattdessen OCR-Umwandlung in Text (bei großen Texten) oder beschreibende Zusatztexte z.B. als ALT-Text, Bildunterschrift und/oder zusätzlichen Text (z.B. bei Grafiken oder Fotos). - Einstellung unterschiedlicher Sprachpassagen
Ermöglicht der Sprachausgabe, die Aussprache anzupassen (vgl.: englisch "addition" vs. deutsch "Addition") - Realisierung aller für die visuelle Gestaltung gedachten Abstände, Einrückungen oder freien Zeilen durch die entsprechenden Befehle (Seitenumbruch, Spaltenumbruch, Einrückung, Abstand vor/nach Absatz) ohne das (mehrfache) Drücken der Leer- oder Enter-Taste
Ermöglicht dem Screenreader, "neue Seite" zu sagen statt "Absatz Absatz Absatz Absatz ..." - Keine (fürs Auge unsichtbaren) Tabellen als Hilfsmittel zur gestalterischen Aufteilung eines Dokuments
Ein Screenreader würde erstens von links nach rechts und oben nach unten durch die Zellen gehen, was aber nicht immer der optisch-gestalterischen Reihenfolge entspricht. Außerdem sind dann viele Zellen leer, was zu Verwirrung führt. - Linearisierung von Inhalten
Inhalte müssen so formatiert sein, dass sie in eindeutiger Reihenfolge ausgegeben werden können. Bei einem visuell zweidimensional dargestellten mathematischen Bruch ist dies nicht der Fall: Das Auge bzw. die verwendete (Denk-)sprache entscheidet, ob zuerst der Bruch als Ganzes, der Nenner oder der Zähler wahrgenommen wird. (Bei mehrstufigen Brüchen vervielfältigen sich diese Möglichkeiten nochmals.) Damit der Screenreader eindeutig vorlesen oder die Formel auf einer Braillezeile dargestellt werden kann, muss ein Bruch als (ggf. eingeklammerter) Ausdruck formuliert werden: "(1/2)". Ähnliche eindeutige Formulierungen, Platzierungen oder die Notwendigkeit zusätzlicher Erklärungen gelten ebenfalls für- frei schwebende Grafiken im Text (Lösung: im Text wie einen Buchstaben verankern)
- Musiknoten in üblicher Darstellung auf Notenlinien
- Graphen und Diagramme
- verschachtelte Tabellen
- Hervorherbungen in der gedruckten Schrift (fett, kursiv, unterstrichen)